Ein sehr guter Artikel über den Bohei, der in evangelikalen Gemeinden ums Thema "Leadership" gemacht wird findet sich bei Mark Galli in einem Artikel in "Christianity Today". Hier der Link.
"Leiterschaft" ist ein Thema in Freikirchen. Schon seit einigen Jahren. Das Thema schwappte im Zuge der "Willow Creek-Welle" in den neunziger Jahren mit nach Deutschland, stand dort auch ziemlich im Mittelpunkt und von da aus nahm es seinen Einfluss auf die evangelikale Szene in Deutschland.
Klar: Es muss in der Gemeinde eine Leitung geben. Jede menschliche Gemeinschaft (ob religiös oder nicht) hat eine Struktur; auch (und gerade ziemlich oft) diejenigen, die bewusst keine haben wollen: Irgendwann kristallisieren sich die Alpha-Tiere/Leiter/"Propheten" usw. heraus, die keinen Widerspruch dulden oder über genug rhetorische Fähigkeiten verfügen, ihre Zweifler erbarmungslos an die Wand zu bibeln. Nur hat das Thema in den letzten Jahren für mein Dafürhalten ein ungesundes Schwergewicht und darüber hinaus auch eine ungesunde theologische Färbung bekommen.
"Leiterschaft" ist kein deutsches Wort. Der Duden kennt es nicht. Und da, wo es existiert, wird es nur im Wortschatz evangelikaler Gemeinden vorhanden. In den Gemeindewachstumsbewegungen der letzten Jahre wurde das Thema "Leiterschaft" eng ans Thema "Management" angelehnt. So war es nur folgerichtig, dass z.B. zu den Willow-Creek-Leiterkongressen Carly Fiorina eingeladen wurde (damals HP-Chefin) oder der CEO von WalMart (bei dem hätte mich, mehr als sein Ansatz zum Thema, interessiert, wie er den Umgang mit Angestellten bei WalMart mit christlicher Wirtschaftsethik unter einen Hut bringt. Aber das ist ein anderes Thema ...). Da war viel von Struktur, der Person des Leiters, von "Leiterschaftsschulung" und so weiter die Rede. Die Ausbildung zum Alpha-Tier.
Einige der Gemeinden, die konsequent auf diesen Kurs umgeschwenkt sind, haben dementsprechend auch ihre "Leitungskrisen" hinter sich, ein Euphemismus für Machtspielchen, bei der halt eine der betroffenen Seiten den Kürzeren gezogen hat. Und ich glaube, dass das durchaus damit zusammenhängt, wie Leiterschaft in den letzten Jahren gelehrt, verstanden und praktiziert wurde.
Biblische Leiterfiguren würden nach diesen Maßstäben komplett durchfallen. Mose, der Antirhetor, der Schiss hatte, nach Ägypten zurück zu gehen und beim Auszug auch die halbe Zeit nicht wusste, was Sache war (bis Gott es ihm zeigte). David, dessen "Leiterschaftsschulung" im Wesentlichen im Schafehüten bestand. Petrus, der in den Evangelien öfters mit einem vorschnellen Mundwerk auffällt und im entscheidenden Moment versagt. Am häufigsten in solchen Kongressen zitiert wird Nehemia, der den Aufbau der Jerusalemer Stadtmauer leitete und zumindest von seinem Auftreten und dem Orga-Talent die Anforderungen erfüllt.
In der Bibel (in meiner zumindest) heißt Leiten so viel wie "Dienen": Er aber sprach zu ihnen: Die Könige herrschen über ihre Völker, und ihre Machthaber lassen sich Wohltäter nennen. Ihr aber nicht so! Sondern der Größte unter euch soll sein wie der Jüngste und der Vornehmste wie ein Diener (Lk 22, 25+26). Und es gibt ziemlich viele ähnliche Aussagen. Warum nur sind wir so scharf auf Macht und so wenig auf Dienst? (Und das frage ich ganz selbstkritisch ...)
Möge uns das wirkliche Leitungsprinzip der Bibel wieder ganz neu wichtig werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen