Dienstag, 29. Oktober 2013

Gesunde Kinder ...

Mit dem Thema "Pränataldiagnostik" haben meine Frau und ich uns schon mal ganz unerwartet und direkt beschäftigt. Als unser drittes Kind unterwegs war, wurde meine Frau von ihrer Frauenärztin ermutigt (ziemlich stark ermutigt, "gebeten" träfe es schon eher), eine Fruchtwasseruntersuchung vornehmen zu lassen. "Wozu?" fragte sie.
Die Frauenärztin machte das genervte Gesicht, das ein Mensch mit akademischer Bildung halt macht, wenn er aus seiner Sicht Selbstverständlichkeiten erklären muss und antwortete: "Um festzustellen, ob das Kind eine Behinderung hat. Down-Syndrom, zum Beispiel". Meine Frau: "Das spielt für uns keine Rolle. Wir werden das Kind so oder so annehmen".

Die Frauenärztin belehrte uns daraufhin mit strafendem Blick darüber, wie unverantwortlich das wäre, ein solches Kind in die Welt zu setzen, von wegen "denken sie doch mal darüber nach, wie das Ihr eigenes Leben beeinträchtigt", fortgesetzt von den Argumenten über die Kosten für die Allgemeinheit und die Beeinträchtigung der Lebensqualität aller, die mit einem behinderten Kind zu tun haben.

Wir waren erst mal sprachlos. Zum Glück sind nicht alle Ärzte so, und wir dachten: Naja, ein Einzelfall. Soll ja vorkommen. Nur habe ich nach der Lektüre und dem Blick auf verschiedene Beiträge in verschiedenen Medien gesehen, dass es eben gar nicht so ein Einzelfall ist, wie man hoffen möchte. Hier ein Beitrag aus der "ZEIT" online, schon etwas älter, aber vermutlich aktueller denn je.


90% aller Föten mit der Diagnose "Down-Syndrom" werden abgetrieben. Ich will ja nicht den Stab über Eltern brechen, die sich zu einem solchen Schritt entschließen, aber mir fällt es schwer, zu glauben, dass diese Zahl allein aus der seelischen Notlage der Eltern angesichts der Diagnose folgt (wobei ich weiß, dass es das gibt - ob das einen Abbruch rechtfertigt, steht auf einem anderen Blatt ...). Die Zahl belegt eher, dass wir schnell bereit sind, zu solchen Mitteln zu greifen, wenn das zu erwartende "Ergebnis" nicht zu unseren Planungen passt - wenn wir mal ehrlich sind.

Für mich hat die Früherkennung, so sehr sie diagnostisch Sinn machen mag, das "Geschmäckle" von einer Selektion (nein - sie IST de facto für die meisten eine Selektion). Eine, die darüber entscheidet, ob der Fötus leben darf oder nicht.

Das bestätigt zumindest der erste Kommentar unter dem ZEIT-Artikel: "In einer humanistischen Gesellschaft haben die Eltern auch das Recht auf gesunde Kinder. Darüber zu debattieren finde ich abstrus, das wäre nur mit religiöser Verblendung zu begründen".

Andere Zeit. Gleiche Argumente
Da muss man sich erst mal beim Schreiber bedanken, dass er solcherart diesen Begriff "Humanismus" definiert. Hat zumindest nix mit "human" zu tun.

Das "Recht auf gesunde Kinder" wurde in einer anderen Zeit schon mal propagiert - ironischerweise mit denselben Argumenten: Man will den Eltern den Aufwand und die Mühe und dem Staat das Bezahlen ersparen. Wo das geendet hat, weiß man. Und, auch wenn da wieder jemand schreit, dieser Vergleich sei völlig unzulässig, das Ziel ist mehr oder weniger dasselbe: Eine gesunde, "gut funktionierende" Gesellschaft. Das "Ausmerzen" von Krankheit und Behinderung.

Nun trifft es sich, dass meine Kinder keinerlei gesundheitliche Einschränkungen haben und kerngesund sind. Allerdings kenne ich einige Leute mit Down-Syndrom; und das sind mit die fröhlichsten und unbeschwertesten Leute, die ich kenne (bis zu einem Punkt, an dem ich mich frage: "Wer ist hier eigentlich behindert"?) Und die, die ich kenne, waren durch die Bank immer gute Babysitter für unsere Kids.

Ich weiß, das sagt sich so einfach, wenn man in der Situation nicht selbst steht: Aber meine Frau und ich hatten uns entschlossen, jedes Kind als Geschöpf aus Gottes Hand willkommen zu heißen, egal, ob es den "Anforderungen" von jemand anderem entsprechen würde oder nicht. Ich weiß nicht, wie schwer es geworden wäre, aber der Entschluss war da.

Das ist meine Überzeugung bis heute. Denn "man erkennt den Wert einer Gesellschaft daran, wie sie mit den Schwächsten ihrer Glieder verfährt." (Gustav Heinemann)


1 Kommentar:

  1. Hallo erstmal.

    Ich habe das gleiche "nahelegen" erlebt, einmal nachts gegen 2 als ich durch einen nichtschwangerschaftsausgelösten Notfall erst auf der Notaufnahme und dann in der Gynäkologie landete. Der Artzt wollte (jenseits der 30 Woche!) eine Fruchtwasserentnahme "nachholen". Mein Hinweis, das wir uns das sparen können weil das Ergebnis nichts ändern wird, entgegnete er mit "das sehen wir dann". Ich verweigerte die Untersuchung und er wurde direkt ausfallend.

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