Montag, 9. Januar 2017

Faszinierend! Die MEHR 2017

Ich gebe zu: Es hat lange gebraucht, bis ich mal wieder die Energie hatte, meinen Blog aufzurufen und in die Tasten zu hauen. Familienleben mit fünf Kindern und der Dienst als Gemeindepastor verlagern deutlich Prioritäten.
Was mich auf den Blog zurückgetrieben hat, war meine Teilnahme an der MEHR 2017, der Konferenz des überkonfessionellen (aber aus der Initiative katholischer Mitchristen hervorgehender) Gebetshauses in Augsburg. Angemeldet hatte ich mich bereits im Juni (als einer der Ersten), weil ich da unbedingt hinwollte. Den Leiter des Gebetshauses, Dr. Johannes Hartl, hatte ich vorher schon zwei Mal auf Kongressen miterlebt (Willow-Creek-Kongress im Februar 2016 und dem Männertag in Wiedenest) und fand ihn richtig gut. Das Gebetshaus kannte ich bis dato nur vom Internetauftritt. Aber allein, dass es einen Ort gibt, an dem 7 Tage die Woche je 24 Std. gebetet wird, an dem also das Gebet nicht verstummt, fand ich faszinierend.

10.000 Teilnehmer aus 40 Ländern und unterschiedlichen Konfessionen. Und Jesus in der Mitte. War klasse!

Womit wir schon beim Thema der Konferenz sind. "Holy Fascination"; Heilige Faszination. Nun ist es so, dass ich schon häufiger auf Kongressen ähnlicher Größenordnung war (obwohl 10.000 Teilnehmer in Augsburg schon ein echtes Brett sind) und mit unterschiedlichen Gefühlen und Erlebnissen jeweils wieder nach Hause ging. Das war hier anders. Ich war den generellen Stil ja von meiner frekirchlichen Verortung her bei Kongressen und Großveranstaltungen gewöhnt; trotzdem war hier irgendetwas anders. Vielleicht lag es daran, dass Lobpreis hier nicht einfach nur eine musikalische Begleitung oder Einleitung der Vorträge war, sondern die ganze Veranstaltung getragen hat: Wenn nicht gerade auf der Bühne geredet wurde, war Lobpreis angesagt, der im Stil durchaus unterschiedlich war. (Laut /mitreißend und ruhig/kontemplativ wechselten sich ab).

Ich machte mich am 05.01. so um viertel vor zehn in Norden auf den Weg und war nach einer verhältnismäßig unspektakulären Zugfahrt (was auf dem Rückweg ganz anders war ...) direkt auf den Weg zum Veranstaltungsort. Der war so beschaffen, wie man ihn von Veranstaltungen dieser Art kennt: eine Halle für die Hauptveranstaltungen und mehrere Räume und Segmente kleinerer Hallen für anderes wie z.B. eine "Plaza", in der neben einem innenarchitektonisch sehr ansprechend gestalteten Café, das permanent überfüllt war und einem ebenso sehenswerten "Gebetshaus-Shop" auch kleinere Stände verschiedenster Organisationen, Ausbildungsstätten oder Projekte fand. "Open Doors" zum Beispiel. Oder "Operation Mobilisation". Oder die Theologische Hochschule des Bundes Freier evangelischer Gemeinden in Ewersbach. Oder die FCJG Lüdenscheid, und natürlich auch mehrere Stände katholischer Initiativen und Werke, die ich nicht kannte (mit Ausnahme der Zeitung "Tagespost" und YouCat).

Am Rande: Untergebracht war ich im "ArtHotel Ana Style", ein echter Tipp in Augsburg. Zimmer zu einem halbwegs vernüftigen Preis, alles drin was man brauchte und ein phänomenales Frühstücksbuffet. Das einzige, was nervte, waren die ganzen Buddhafiguren (wie ein geschätzter Kollege von mir mal sagte: "Die Gartenzwerge der Postmoderne"). Manche meiner evangelikalen Mitchristen hätten das als geistliche Belastung empfunden; ich war am ersten Abend einfach todmüde und erlaubte mir im Bewusstsein, dass Jesus der Sieger ist, ein müdes Schulterzucken.

Der Kongress selbst: Es war laut! So laut, dass im Gebetshausshop konsequent Ohrenschützer für die Kinder angeboten wurden. Und es gab was auf die Augen: Eine Professionalität im Bereich Licht- und Tontechnik, an der andere sich erst mal messen müssen. Im entsprechenden Bericht der "Tagesthemen" (sic!) sprach ein eigens interviewter "Experte" (mit so was haben wir Freikirchen im evangelischen Bereich auch mehr Erfahrung, als uns lieb ist) von Traditionsverlust und "Inszenierung". Letzterer Begriff trifft es gut, wenn auch freilich in einem weit besseren Zusammenhang als im Interview gemeint.

Dr. Johannes Hartl, Leiter des Gebetshauses Augsburg und Hauptredner
Der Lobpreis war klasse und zu meiner Überraschung kannte ich etwa 95% aller Lieder (und konnte so fröhlich mitsingen). Die Musik war sehr berührend; nicht im Stil einer Band, die gerade kurz vor'm Stagediving ist (auch schon erlebt), sondern wirklich gedacht, um die Anwesenden in den Lobpreis mit hineinzunehmen. Das schafft eine Atmosphäre, der man sich nur schwer entziehen kann. Und während der eine oder andere hardcore-evangelikale Gralshüter über "Manipulation" geifert, kann ich nur sagen: Ich empfand es eher als Befreiung. Ich merkte, wie etwas von mir abfiel, eine Beklemmung, eine Traurigkeit, die sich in den letzten Wochen angesammelt hatte. Ob das psychologsich erklärbar ist? Kann sein. Aber selbst dann ist es noch ein geistlicher Effekt.

Die Vorträge von Johannes Hartl waren klasse. Sicherlich mit viel Lockerheit und einigen Kalauern präsentiert, aber thematisch auf den Punkt kommend (und biblisch fundiert, wenn auch mehr im konkordanten Stil). Jeder Vortrag, wirklich jeder, berührte Lebensthemen, die mich in den letzten Jahren, ach was: Jahrzehnten immer wieder beschäftigt haben oder beschäftigen. Nun ist Johannes Hartls Stil sicher nicht jedermanns Sache, aber ich merkte, wie ich durch die Themen und die Gedanken persönlich angesprochen und sehr berührt wurde. Insofern kann ich, glaube ich, schon nicht mehr objektiv berichten. Ist mir aber auch wurscht.

Rainiero Cantalamessa während der Predigt (mit Übersetzerin)
Ein Moment - nein, zwei, die mich sehr berührten, waren die Eucharistiefeiern, die auf der MEHR gehalten wurden; eine vom Prediger des Päpstlichen Hauses, Rainiero Cantalamessa und eine vom Weihbischof von Augsburg, Florian Wörner. Die Predigten waren gut, der Stil ungewöhnlich (oder sagen wir mal: außerordentlich. Aber, wie ein katholischer Blogger schon bemerkte, liturgisch um einiges korrekter als alles, was er in der Weihnachtszeit an Messen erlebt hatte), aber was mich fazinierte, war der Geist der Einheit, der spürbar war. Natürlich habe ich nicht an der Kommunion teilgenommen, allein schon aus tiefem Respekt meinen katholischen Freunden und Geschwistern gegenüber; eine Selbstverständlichkeit. Was ich schön fand, war, dass die Tatsache, dass katholisches Eucharistie- und evangelisches Abendmahlsverständnis, obgleich in der Theologie grundverschieden, hier keine Diskussionen oder sogar Streit bewirkten. Vermutlich waren die Leute in der Halle alle viel zu sehr damit beschäftigt, sich auf Jesus zu konzentrieren :-)

An der Stelle mal ein "Thumbs up" für die Übersetzerin, die als Christin mit freikirchlicher Bindung die Mammutaufgabe hatte, einen katholischen Priester zu übersetzen und manchmal bei katholischen Spezifika an ihre Grenzen kam. Aber sie ist trotzdem eine gute Übersetzerin.

Ok, das war jetzt alles das "Wie". Über das "Was" ist glaube ich, ein Extra-Artikel fällig, den zu schreiben ein paar Tage dauern wird - es schließt sich diese Woche ja direkt die Gebetswoche der "Evangelischen Allianz" in Deutschland an, die natürlich auch hier in Norden stattfindet - unter anderem im Form einer Gebetsnacht in der FeG Norden am Freitag ...


5 Kommentare:

  1. Danke für den Bericht! Ich stimme zu! Nur eine kurze Frage: Was ist mit »konkordanzem (übereinstimmenden?) Stil« gemeint? Der Schritt vom Vortragstext hin zur Schrift, statt von der Schrift auszugehen?

    Viele Grüße, Peter (kephas.de)

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  2. Mit "konkordant" meine ich die Rede über ein Thema, in dem verschiedene Bibelstellen herangezogen werden, die nicht original miteinander im narrativen Zusammenhang stehen, aber dasselbe Thema behandeln. Im Englisch spricht man von "Bible Study". Im Unterschied dazu ist es in den traditionellen Freikirchen in Deutschland eher üblich, einen Text "am Stück" auszulegen.

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  3. Als Katholikin in freikirchlichen Kreisen beschäftigt, war mir der Artikel Balsam! Danke!
    Efoi

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