Dienstag, 24. Juli 2012

Ich bin kein Superchrist!

Ich habe in der letzten Zeit drei interessante Bücher von Francis Chan gelesen: The forgotten God (darin geht es um den Heiligen Geist), "Erasing Hell" (darin geht es um das, was der Titel nahelegt) und "Crazy Love". Darin geht es um "Mehr". Mehr Hingabe. (Was unbedingt eine gute Sache ist!) Aber eben auch sonst um "Mehr": Mehr dienen, mehr geben, mehr Zeit fürs Reich Gottes aufwenden, mehr Begeisterung, mehr Einsatz, mehr, mehr, mehr.

Solche Bücher hinterlassen bei mir einen zwiespältigen Nachgeschmack. Zum einen merke ich die gute Absicht, die hinter den Zeilen steckt. Die Absicht, einer trägen evangelikalen Christenheit den Schuh ins verlängerte Hinterteil zu platzieren, ein bisschen am geistlichen Status Quo zu rütteln und Leute zu einer tieferen Hingabe an Jesus Christus einzuladen. So weit, so gut; daran ist ja grundsätzlich nichts auszusetzen.

Problematisch wird es für mich nur da, wenn der Wert einer Person mit seiner Art und Weise, zu handlen, verknüpft wird - und wenn diese Art und Weise, zu handeln sich verengt in die persönlichen Vorstellungen des Schreibers. Wer nicht spektakulär in Erscheinung tritt und spektakuläres leistet, der befindet sich im Mittelmaß. "Lukewarm", also lauwarm ist der Begriff, der hier verwendet wird.

Chan führt Beispiele von Männern und Frauen an, die mit ihrem Handeln Geschichte im Reich Gottes geschrieben haben. Nathan Barlow, Rachel Saint, George Muller und Shane Clairborne zum Beispiel. Das waren (bzw. sind) Männer und Frauen, die unglaubliches geleistet haben. Menschen, die mich inspirieren.

Aber was ist mit den "ganz normalen" Menschen, die auch Jesus folgen und deren Leben zumindest in historischen Dimensionen verhältnismäßig unaufgeregt ist?

- Was ist mit denen, die im "normalen" Berufsleben stehen, Tag für Tag ihren Job machen und ihn gut machen? Was mit den Männern, die treu zu ihrer Frau stehen und mit allen Kräften versuchen, ein guter Vater zu sein?

- Was ist mit den "Streitern Christi", die nicht an die Front, sondern ins Lazarett gehören? Menschen, die nicht für andere sorgen, sondern für die gesorgt werden muss? Was ist mit denen die krank sind, und viel Zeit und Energie in Anspruch nehmen? Die nicht "mehr" geben können - sind die dann nur Ballast?  ...gerade die Teile des Körpers, die schwächer zu sein scheinen, sind besonders wichtig; gerade den Teilen, die wir für weniger ehrenwert halten, schenken wir besonders viel Aufmerksamkeit; gerade bei den Teilen, die Anstoß erregen könnten, achten wir besonders darauf, dass sie sorgfältig bedeckt sind (bei denen, die keinen Anstoß erregen, ist das nicht nötig). Gott selbst, der ´die verschiedenen Teile des` Körpers zusammengefügt hat, hat dem, was unscheinbar ist, eine besondere Würde verliehen. Es darf nämlich im Körper nicht zu einer Spaltung kommen; vielmehr soll es das gemeinsame Anliegen aller Teile sein, füreinander zu sorgen. Wenn ein Teil des Körpers leidet, leiden alle anderen mit, und wenn ein Teil geehrt wird, ist das auch für alle anderen ein Anlass zur Freude. - 1.Kor. 12, 22-2

- Was ist, wenn ich 1. Thessalonicher 4, 11+12 beherzige und es zur Grundlage meines Alltagslebens mache: "Und setzt es euch zum Ziel, ein geordnetes Leben zu führen, euch um eure eigenen Angelegenheiten zu kümmern und selbst für euren Lebensunterhalt zu sorgen. Wenn ihr das tut – und wir haben euch ja schon früher dazu aufgefordert –, werden euch die Außenstehenden achten, und ihr werdet niemand zur Last fallen". Heißt das, dass ich "lukewarm" bin?


- Und vor allem: Wenn ich mich weigere, den evangelikalen Zirkus mitzumachen (oder dafür einfach keine Kraft mehr habe), und so vor Gott komme, wie ich wirklich bin? Oft zweifelnd und fragend, manchmal verzagt und voll von Selbstzweifeln, manchmal auch orientierungslos und um Richtung bittend? Ist Gott dann noch zufrieden mit mir?

Es sieht so aus, dass die Autoren dieser Bücher, die im evangelikalen Bereich mit schöner Regelmäßigkeit erscheinen (so ca. alle 3 Jahre) Schwierigkeiten mit einem "normalen" Leben haben, mit all seinen Sorgen und seinen Unwägbarkeiten und Unvollkommenheiten als einem Ort, an dem Gott genau so wirkt wie im Waisenhaus in Bristol oder in den Slums von Kalkutta. 


Im Neuen Testament gibt es keine Superchristen. Es gibt nur Menschen, die durch die rettende Gnade Gottes erlöst sind und die an die verschiedendsten Orte und in die verschiedensten Aufgaben berufen sind, viele davon ganz "normale" Berufe.


Einige haben besondere Aufgaben erhalten. Einige besondere Gaben. Die Meisten aber leben ihren Alltag und versuchen, Gott zu ehren im Beruf, in der Familie und in der Gemeinde. Wenn sie das mit Hingabe und Liebe zu ihrem Herrn machen, dann ist, glaube ich, das ständige "Mehr!" nicht angebracht.


»Kommt zu mir, ihr alle, die ihr euch plagt und von eurer Last fast erdrückt werdet; ich werde sie euch abnehmen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn ich bin gütig und von Herzen demütig. So werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht.« - Matthäus 11, 28-30




1 Kommentar:

  1. "Kindlein", sagt Jesus. Und warum machen wir uns immer so einen Kopp drum, wie wir bessere Kinder sein können? Seien wir einfach Kinder, Gotteskinder! Dann wird uns das andere einfach zufallen...

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