Abtreibung
Nun gut, reden wir über das Aufregerthema der Stunde (das uns auch so oder so schon seit Jahren begleitet). Keine gesellschaftstheoretische oder theologische Grundsatzdiskussion, sondern einfach ein paar Gedanken und Eindrücke, die ich hier mal recht unsortiert in den Ring werfe. Und das gleich am Anfang: Es geht hier in dem Artikel nicht um die Personalie Frauke Borsius-Gersdorf, die für ein Richteramt am BvG vorgesehen war, sondern um einen persönlichen Blick auf das Thema selbst.
Grob zusammengefasst die Rechtslage (findet sich in §218a des Strafgesetzbuches): In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch nach vorheriger Beratung bis einschl. der 12. Schwangerschaftswoche möglich. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, aufgrund medizinischer Indikation (wenn z.B. das Leben der Mutter gegen das Leben des Fötus abgewogen werden muss, etwa bei einer Infektion o.ä.) oder aufgrund von kriminologischer Indikation (eine Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung) auch über diesen Zeitraum hinaus abzubrechen.
Ich stelle fest, dass es wie bei einigen anderen "Triggerthemen" auch schwierig ist, über dieses Thema noch sachlich zu reden; es ist sehr emotional aufgeheizt und die Gespräche werden ganz schnell von so genannten "Whataboutisms" beherrscht, wo es dann nicht mehr ums Thema selbst geht, sondern darum, wie man den Gesprächspartner einordnet.
Im Jahr 2024 zählt das statistische Bundesamt in Deutschland 106.455 gemeldete Fälle von Schwangerschaftsabbrüchen. Davon wurden 4105 aufgrund von medizinischer Indikation vorgenommen, sowie 40 aufgrund von kriminologischer Indikation. Das sind die offiziellen Zahlen.
Ich bin gegen Abtreibung, allein schon, weil ich denke, dass das eigentliche Problem Verantwortungslosigkeit ist. Nicht bei den Schwangerschaftsabbrüchen aus medizinischer oder kriminologischer Indikation: Damit muss man sich auseinandersetzen, und da gibt es Grenzfälle in denen auch ein einfaches "Dagegen" der Situation nicht gerecht wird. Und das sage ich als jemand, der mit seiner Ehepartnerin in medizinischer Hinsicht sich selbst einmal in einer solchen Situation befand (Und da sind mir dann auch die evangelikalen Beißreflexe bei dem Thema zu stark und zu unüberlegt) - sondern weil ich glaube, dass heutzutagen niemand mehr schwanger werden muss, der (oder die) es nicht will. Der Zugang zu Verhütungsmitteln ist relativ einfach und ungehindert. Die hohe Zahl an Abbrüchen ist vielmehr ein Indikator, dass in unserer Zeit das Thema Sex aus dem Beziehungsgeschehen und der Verantwortlichkeit einer anderen Person gegenüber herausgelöst und 'nur' noch ein Vergnügen ist. Eines, das halt Folgen hat.
Mich stört es in der ganzen Diskussion vor allem, wenn gerade die "kriminologische Indikation" immer wieder als argumentativer Rammbock nach vorne geholt wird. "Du bist gegen Abtreibung? Also du willst, dass eine Frau nach einer Vergewaltigung das Kind austragen muss?" Was soll man darauf schon antworten? Das ist ein Argument, das nicht dem Austausch von Meinungen dient, sondern das die Diskussion moralisieren soll, um den Gegenüber in eine Position zu bringen, aus der heraus er sich verteidigen muss.
Also blenden wir die Abbrüche aus medizinischer oder kriminologischer Indikation mal aus. Da liegt die Frage nahe: Was ist mit den 'anderen' 102.310 Abbrüchen? Wurden die aus unmittelbarer Notwendigkeit durchgeführt oder war das nicht vielmehr in vielen Fällen die Konsequenz davon, dass ein Kind gerade jemandem nicht in die Lebensplanung passte? Ist das Postulat "Das ist ja alles nur ein Zellhaufen, der keine Schmerzen spüren kann" nicht eher eine Ausrede, um sich nicht mit der ethischen Seite der Frage auseinanderzusetzen?
Im vergangenen Jahr wurde im Europäischen Parlament beschlossen, dass das Recht auf Abtreibung innerhalb der EU in Zukunft als Grundrecht gewertet werden soll. Was z.B. zur Folge hätte, dass das Thema verpflichtender Teil eines Medizinstudiums werden wird. (Um tatsächlich Gesetz zu werden, müssten allerdings alle Staaten der EU mit ihren nationalen Parlamenten zustimmen, was immerhin zur Zeit noch als relativ unwahrscheinlich gilt). Vor 4 Jahren dagegen wurde im selben Parlament beschlossen, dass das Töten von Hühnerembryonen ab dem 6. Bebrütungstag verboten werden soll (ist seit 1.1.24 offiziell Gesetz), da nicht auszuschließen ist, dass der Embryo schon in diesem Entwicklungsstadium ein Schmerzempfinden haben könnte. Das kann man alles niemandem mehr vernünftig erklären.
Abgesehen von der rechtlichen Definition von Menschenwürde ergibt sich der Wert und die Würde eines Menschen aus der Tatsache, dass er ein Geschöpf Gottes ist; erdacht und gewollt und geschaffen vom Schöpfer des Universums; ein real gewordener Gedanke Gottes (Psalm 139,16). Klar; das gilt, so gesehen, für jedes Lebewesen, aber der Mensch ist das einzige davon, dass sich mit seinem Schöpfer direkt kommunizieren kann.
Allein auf dem Hintergrund richtet sich ein "Grundrecht auf Abtreibung" gegen Werk und Willen des Schöpfers; denn das "Grundrecht" richtet sich ja nicht primär an Frauen in Not, sondern soll diesen Vorgang zu einer medizinischen Alltagsleistung machen.
Ein letztes noch: Ich finde es gut, wenn Christen sich für das ungeborene Leben einsetzen, auch für die Menschenwürde von Anfang an. Und für die Würde von Menschen, die aufgrund von Krieg, persönlicher Verfolgung oder Hungersnöten o.ä. aus ihren Herkunftsländern geflüchtet sind. Und die Würde von Menschen, die in einem Kriegsgebiet unter täglichem Beschuss und Bombardements zu leiden haben. Menschenwürde ist nicht teilbar und nicht situativ zusprechbar; sie gilt entweder für jeden Menschen, der von Gott geschaffen wurde, oder sie gilt gar nicht. Wenn man Menschenwürde nur für einige auserwählte Gruppen beanspruchen will, dann wird das ganze Konzept zur Lachnummer.
Es wäre gut, wenn wir uns das im Gedächtnis behalten würden. Auch in der Art und Weise und der Tonlage, in der wir über die jeweiligen Menschengruppen sprechen.
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