Verwegenes Vertrauen
Meine Physiotherapeutin erzählte mir unlängst, sie hätte sich vor einiger Zeit einen Herzenswunsch erfüllt und hätte sich einen Fallschirmsprung gegönnt. Das kann man als Privatperson buchen, und das wird als Freizeitevent immer beliebter. Wer das bucht, der sucht einen Kick; ein Erlebnis, das sich vom schöden Alltag mit seinen vorhersagbaren Strukturen abhebt. Für die einen ist das ein "once-in-a-lifetime"-Erlebnis. Für mich wäre allein die Vorstellung blanker Horror, aus einem fliegenden Flugzeug zu springen, auch wenn ich einen Fallschirm hätte.
Wer so etwas macht, der braucht ein großes Vertrauen. Vertrauen in den erfahrenen Springer, den Instrukteur, dass der weiß, was er macht; Vertrauen darauf, dass der Schirm richtig gefaltet wurde und sich zum richtigen Zeitpunkt öffnet, Vertrauen darauf, dass die Landung am vorgesehenen Ort stattfindet und man bis dort mit den Windverhältnissen klarkommt und so weiter.
Im 10. Kapitel des Hebräerbriefes ist von Aushalten, von Geduld und - genau - von Vertrauen die Rede. Das sind alles Dinge, die herausfordern. Wenn es einem gut geht, dann sind Aushalten und Geduld ja eigentlich kein Problem. Wenn man in einer schwierigen oder herausfordernden Lebensphase steckt, ist das schon was anderes. Da ist Vertrauen ein Willensakt, den ich mir ins Bewusstsein rufen muss.
Die grundlegende Lebenseinstellung von Menschen, die Jesus folgen, ist, dass Gott es gut macht. Das heißt nicht, dass er alle Wünsche erfüllt (in einigen Fällen sollten wir ihm dafür dankbar sein). Oder dass wir nicht mehr mit Leid, Krankheit, Not oder ähnlichem konfrontiert werden. Gerade der Hebräerbrief berichtet von Vorbildern im Glauben an Jesus, die schwere Zeiten durchgemacht haben, aber in diesen schweren Zeiten den Glauben nicht über Bord warfen, sondern gerade darin, in diesem Glauben, Trost und Orientierung fanden.
Die Zeit, in der wir gerade leben, ist eine Herausforderung, gar keine Frage. Sie stellt uns einige existenzielle Fragen, auf so vielen Ebenen: Die Fragen nach Frieden in Europa, nach dem eigenen materiellen Auskommen und der Sicherheit des Arbeitsplatzes; die Frage, wie es in unserem Land weitergeht, was das 'Miteinander-Auskommen' anbelangt.
Das haben schon Generationen von Menschen (und Christen) vor uns erlebt, und das werden auch zukünftige Generationen erleben. Meine Generation (die "Boomer"), wir sind im Kalten Krieg geboren, haben die Friedenszeit der 90er Jahre erlebt, lebten in wirtschaftlich guten und stabilen Verhältnissen und hatten gute Zukunftssaussichten. Die letzten Jahren haben uns vor Augen gehalten, wie fragil so ein Zustand am Ende des Tages sein kann.
Gerade der Glaube an Jesus Christus gibt uns die Kraft, Situationen so anzunehmen und durchzustehen (oder 'auszuhalten'), wie sie sind. Eine Lage weder schönzureden noch in irrationale Panik zu verfallen. Der Apostel Paulus schreibt im Philipperbrief, Kapitel 4, Vers 12f: "Ich kann Not leiden, ich kann im Wohlstand leben; mit jeder Lage bin ich vertraut. Ich kenne Sattsein und Hungern; ich kenne Mangel und Überfluss. Allem bin ich gewachsen durch Christus, der mich stark macht!"
Das heißt so viel wie: Mein Glaube und meine Sicht auf das Leben sind nicht (nur) von äußeren Umständen abhängig. Sondern auch davon, dass ich aus einer Kraft lebe, die nicht durch Umstände beeinflusst wird, sondern die immer da ist. Dadurch, dass ich auf diesen Gott vertrauen darf, der sich nicht ändert (eine der ganz wesentlichen Aussagen des Hebräerbriefes: Gott ist und bleibt derselbe!).
Und, ja, Vertrauen kann auch heißen: Auch dann an Gott festzuhalten, wenn der Sturm des Lebens tobt, wenn die Kräfte nachlassen und man nicht weiß, wo man landet. In allen Umständen (und manchmal trotz der Umstände) das Vertrauen auf Gott nicht wegzuwerfen.
Viel Vertrauen und Geborgenheit an der Seite des lebendigen Gottes wünche ich Dir!
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