Montag, 30. Juli 2012

Weltverbesserer

Blicke ich in die Kirchengeschichte zurück, dann sehe ich immer wieder, wie Gott mit ganz banalen und einfachen Menschen Geschichte geschrieben hat. Menschen, von denen man sich das bei nüchterner Betrachtung vermutlich nie gedacht hätte. Einen Fischer mit vorlautem Mundwerk, der beauftragt wird, sich um die Jünger Jesu zu kümmern. Einen durchgeknallten religiösen Eiferer, der nach einer Begegnung mit Jesus seine Intelligenz und Kraft nutzt, um das Evangelium zu fremden Völkern zu bringen. Einen Partyhengst aus Nordafrika, der als Bischof eben dort zu einem der größten Denker der frühen Kirche avanciert. Und (viel später) einen adeligen Lebemann aus Sachsen, der nach einer Begegnung mit Jesus sein Vermögen in einer Missionsbewegung investiert. Einen evangelischen Theologen, der weiter blickt als viele seiner Zeitgenossen und alle Kraft in den Aufbau von Bildung und Erziehung steckt. Eine holländische Uhrmacherfamilie, die im Krieg Juden vor dem Zugriff der Gestapo entdeckt und bei der Entdeckung bereit ist, die Konsequenzen auf sich zu nehmen. Eine kleine und schmächtige albanische Nonne, die es sich zur Lebensaufgabe macht, in Indien Sterbenden ein kleines Stück der Würde, die sie als Geschöpf Gottes haben, zurückzugeben.

... und viele, viele andere, die Sicherheit, Konformität und Bequemlichkeit aufgegeben haben, um dem Ruf Gottes zu folgen und das Leben (meistens unfreiwillig) zum Abenteuer zu machen.

Verglichen mit all denen bin ich vermutlich nur ein ganz kleines Licht. Aber ihr Beispiel macht Mut, Jesus nachzufolgen mit allen Konsequenzen, die das haben kann.

Auf diese Gedanken bin ich durch einen alten Werbespot von Apple gestoßen, der sich zwar nicht explizit auf den christlichen Glauben beschränkt und bei dem viel von der "positiv-denken"-Nummer mit dabei ist - dessen inhaltliche Wahrheit aber trotzdem nicht von der Hand zu weisen ist. Auch in der Geschichte der Gemeinde/Kirche in dieser Welt.



Dienstag, 24. Juli 2012

Ich bin kein Superchrist!

Ich habe in der letzten Zeit drei interessante Bücher von Francis Chan gelesen: The forgotten God (darin geht es um den Heiligen Geist), "Erasing Hell" (darin geht es um das, was der Titel nahelegt) und "Crazy Love". Darin geht es um "Mehr". Mehr Hingabe. (Was unbedingt eine gute Sache ist!) Aber eben auch sonst um "Mehr": Mehr dienen, mehr geben, mehr Zeit fürs Reich Gottes aufwenden, mehr Begeisterung, mehr Einsatz, mehr, mehr, mehr.

Solche Bücher hinterlassen bei mir einen zwiespältigen Nachgeschmack. Zum einen merke ich die gute Absicht, die hinter den Zeilen steckt. Die Absicht, einer trägen evangelikalen Christenheit den Schuh ins verlängerte Hinterteil zu platzieren, ein bisschen am geistlichen Status Quo zu rütteln und Leute zu einer tieferen Hingabe an Jesus Christus einzuladen. So weit, so gut; daran ist ja grundsätzlich nichts auszusetzen.

Problematisch wird es für mich nur da, wenn der Wert einer Person mit seiner Art und Weise, zu handlen, verknüpft wird - und wenn diese Art und Weise, zu handeln sich verengt in die persönlichen Vorstellungen des Schreibers. Wer nicht spektakulär in Erscheinung tritt und spektakuläres leistet, der befindet sich im Mittelmaß. "Lukewarm", also lauwarm ist der Begriff, der hier verwendet wird.

Chan führt Beispiele von Männern und Frauen an, die mit ihrem Handeln Geschichte im Reich Gottes geschrieben haben. Nathan Barlow, Rachel Saint, George Muller und Shane Clairborne zum Beispiel. Das waren (bzw. sind) Männer und Frauen, die unglaubliches geleistet haben. Menschen, die mich inspirieren.

Aber was ist mit den "ganz normalen" Menschen, die auch Jesus folgen und deren Leben zumindest in historischen Dimensionen verhältnismäßig unaufgeregt ist?

- Was ist mit denen, die im "normalen" Berufsleben stehen, Tag für Tag ihren Job machen und ihn gut machen? Was mit den Männern, die treu zu ihrer Frau stehen und mit allen Kräften versuchen, ein guter Vater zu sein?

- Was ist mit den "Streitern Christi", die nicht an die Front, sondern ins Lazarett gehören? Menschen, die nicht für andere sorgen, sondern für die gesorgt werden muss? Was ist mit denen die krank sind, und viel Zeit und Energie in Anspruch nehmen? Die nicht "mehr" geben können - sind die dann nur Ballast?  ...gerade die Teile des Körpers, die schwächer zu sein scheinen, sind besonders wichtig; gerade den Teilen, die wir für weniger ehrenwert halten, schenken wir besonders viel Aufmerksamkeit; gerade bei den Teilen, die Anstoß erregen könnten, achten wir besonders darauf, dass sie sorgfältig bedeckt sind (bei denen, die keinen Anstoß erregen, ist das nicht nötig). Gott selbst, der ´die verschiedenen Teile des` Körpers zusammengefügt hat, hat dem, was unscheinbar ist, eine besondere Würde verliehen. Es darf nämlich im Körper nicht zu einer Spaltung kommen; vielmehr soll es das gemeinsame Anliegen aller Teile sein, füreinander zu sorgen. Wenn ein Teil des Körpers leidet, leiden alle anderen mit, und wenn ein Teil geehrt wird, ist das auch für alle anderen ein Anlass zur Freude. - 1.Kor. 12, 22-2

- Was ist, wenn ich 1. Thessalonicher 4, 11+12 beherzige und es zur Grundlage meines Alltagslebens mache: "Und setzt es euch zum Ziel, ein geordnetes Leben zu führen, euch um eure eigenen Angelegenheiten zu kümmern und selbst für euren Lebensunterhalt zu sorgen. Wenn ihr das tut – und wir haben euch ja schon früher dazu aufgefordert –, werden euch die Außenstehenden achten, und ihr werdet niemand zur Last fallen". Heißt das, dass ich "lukewarm" bin?


- Und vor allem: Wenn ich mich weigere, den evangelikalen Zirkus mitzumachen (oder dafür einfach keine Kraft mehr habe), und so vor Gott komme, wie ich wirklich bin? Oft zweifelnd und fragend, manchmal verzagt und voll von Selbstzweifeln, manchmal auch orientierungslos und um Richtung bittend? Ist Gott dann noch zufrieden mit mir?

Es sieht so aus, dass die Autoren dieser Bücher, die im evangelikalen Bereich mit schöner Regelmäßigkeit erscheinen (so ca. alle 3 Jahre) Schwierigkeiten mit einem "normalen" Leben haben, mit all seinen Sorgen und seinen Unwägbarkeiten und Unvollkommenheiten als einem Ort, an dem Gott genau so wirkt wie im Waisenhaus in Bristol oder in den Slums von Kalkutta. 


Im Neuen Testament gibt es keine Superchristen. Es gibt nur Menschen, die durch die rettende Gnade Gottes erlöst sind und die an die verschiedendsten Orte und in die verschiedensten Aufgaben berufen sind, viele davon ganz "normale" Berufe.


Einige haben besondere Aufgaben erhalten. Einige besondere Gaben. Die Meisten aber leben ihren Alltag und versuchen, Gott zu ehren im Beruf, in der Familie und in der Gemeinde. Wenn sie das mit Hingabe und Liebe zu ihrem Herrn machen, dann ist, glaube ich, das ständige "Mehr!" nicht angebracht.


»Kommt zu mir, ihr alle, die ihr euch plagt und von eurer Last fast erdrückt werdet; ich werde sie euch abnehmen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn ich bin gütig und von Herzen demütig. So werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht.« - Matthäus 11, 28-30




Freitag, 13. Juli 2012

Ingenious!

Die ultimative Maschine. Ich schlage vor, wir kleben einen angebissenen Apfel drauf und verkaufen sie für 499,- €:


Freitag, 6. Juli 2012

Gemeindewechsel

Nee, nicht ich; keine Angst. Ich bin gerade noch dabei, mich hier in Ostfriesland einzuleben und mir geht es in Umgebung und Gemeinde recht gut.
Es geht hier vielmehr um ein in Freikirchen häufig gewordenes Phänomen: Die meisten Leute, die ich in eben diesen Kirchen (oder nennen wir's mal Gemeinden, das ist auch die Selbstbezeichnung) treffe, sind nicht Menschen, die sich vom Nicht-Glauben zum Glauben gewandt haben, sondern Menschen, die vom Hintergrund einer anderen christlichen und hier in den meisten Fällen: freikirchlichen Gemeinde kommen. Das kann verschiedene Gründe haben: Manchmal sind es durchaus nachvollziehbare. Z.B. die Erfahrung, dass man aus beruflichen, gesundheitlichen oder sonstwelchen Gründen umziehen musste und die Gemeinde die geografisch und theologisch nächstliegende vor Ort ist. Oder dass jemand zum Studium oder zur Ausbildung für einige Zeit am betreffenden Ort wohnt (hier in Norden eher selten). Ich weiß, dass es sogar gute Gründe geben kann, eine Gemeinde zu verlassen und sich einer anderen anzuschließen. Theologische Gründe z.B. oder auch persönliche Erfahrungen von geistlichem Mißbrauch und ähnlichem. Alles korrekt.
Die Mehrzahl der Leute - das ist mein Eindruck - wechselt allerdings aus weit weniger stichhaltigen Gründen. "Hier wird kein Lobpreis praktiziert". Eine freikirchlich-kryptische Umschreibung für: "Hier werden keine zeitgemäßen und modernen Lieder gesungen". Ehrlich ausgedrückt: "Die Mucke hier gefällt mir nicht" - aber das wäre ja zu banal formuliert.
Ein anderer Grund: "Ich kriege keinen geistlichen Input. Mir fehlt die Nahrung". Das kann ein guter Grund sein, aber ich frage mich schon manchmal: Ist es tatsächlich so, dass du nicht ernährt wurdest, oder hast du nur nicht das bekommen, was du an geistlicher Nahrung haben wolltest?" Wer jahrelang beim Babybrei bleibt (und der Brei, bzw. nach Paulus die Milch, ist wichtig, um einen guten Start in den Glauben zu erleben), für den schmeckt der Brokkoli erst mal "Bäh", auch wenn er gesünder ist. Das Gemüse der Herausforderung im Glauben, des Sich-selbst-hinterfragens, der Buße und Erneuerung, ohne das ein Wachstum im Glauben nicht möglich ist.
Ich höre immer, dass das Prinzip der Frewilligkeit, das Vertrauen auf Eigeninitiative eine der großen Stärken der Freikirchen sei. In Wirklichkeit entpuppt es sich als eine ihre entscheidendsten Schwächen. Es ändert, oft unmerklich, die Erwartung, die ein jeder an die Gemeinde und dort konkret z.B. an den Sonntagsgottesdienst hat. (Originalzitat von Jeff Dunn von Internetmonk: "So the pastor can no long simply prepare an expository message from Scripture. He must take his crowd into consideration and know how to entertain them—without offending any, without asking them to do anything. Forget seminary. The successful pastor of today needs to hire a drama coach.") Ein bisschen übertrieben vielleicht, aber da ist was wahres dran.
Ich wünsche mir, ohne eine konkrete Idee zur Umsetzung zu haben, eine zum Pietismus alter Tage, nicht in den Formen, aber doch im gemeinsamen Bedürfnis, vor Gott zu kommen, sich von ihm leiten und auch korrigieren und herausfordern zu lassen, und gemeinsam auch Schwierigkeiten durchzustehen. Das sind schließlich die Situationen, in denen Gemeinde sich bewähren muss.